2005: AZ berichtet "So ein Zirkus mit den Flöhen": Just vor Wiesenbeginn verstarben die Hauptdarsteller – Ersatz kam aus Riem
Einen Tag vor Wiesnbeginn saß Peter Mathes in seinem Wohnwagen, die Pinzette in der Hand, eine Vergrößerungsbrille auf der Nase. Er fischte Flöhe aus einem Wasserbad. Er machte was? Genau: Er hat die Flöhe gewaschen. Sie stammten doch von Hunden. Und ab dem nächsten Tag sollten sie auftreten — und vom Menschen leben.
Aufregung im Flohzirkus
Im Floh-Circus auf der Wiesn herrschte letzte Woche höchste Aufregung. Überraschend waren, kaum stand das nette, bunt bemalte Circus-Gebäude, sämtliche Flöhe verstorben. Mit den Beinchen nach oben lagen sie da in der Früh, der Fridolin. der Augustin, der Theodor. Aber dann kamen die Münchner, brachten ihre Hunde vorbei und ließen sie absuchen im Wohnwagen auf Platz sieben, Straße eins unterhalb der Bavaria: Ob vielleicht ein Floh sitzt im Hundepelz? Die Rettung fand sich in Riem, wo eine Dame über 20 Hunde hält. Und die Hunde hatten über 100 Flöhe.
Nicht alle Flöhe sind zirkustauglich
Nicht alle waren jedoch zirkustauglich. „Flohdamen brauch ma", sagt Peter Mathes (64), die Männchen sind zu klein, um angeleint zu werden. Und, man muss es leider sagen, zu schwach, um ein Karussell anzuschubsen.
Dabei hat der Floh-Circus ohnehin schwere Zeiten hinter sich — in den letzten drei Jahren fand die Wiesn ohne ihn statt. Direktor Hans Mathes (58), dem der Circus eigentlich gehört zusammen mit Robert Birk, hatte zwei Schlaganfälle, er hört jetzt nichts mehr. Aber noch immer füttert er seine Artisten, dreimal am Tag. 60 bis 70 Flöhe nimmt er dann auf seinen linken, eigens rasierten Arm, und bleibt eine Stunde still sitzen. Sonst saugt der Floh sein zur Blutverdünnung abgesondertes Sekret nicht wieder mit ein, und der Stich schwillt an.
Gegründet hat den Floh-Circus der Großvater der Mathes Brüder, der in einem Krieg Ende des letzten Jahrhunderts die Flöhe fing, die an ihm herumsprangen.
Er zog die Goldfäden aus den Schulterklappen seiner Uniform und spannte die Tiere ein, für seine Zwecke. Später bastelte er das erste Messingwägelchen, das heute noch im Einsatz ist. Mit seinem Schaustellerwagen kam er bis nach England und Russland.
Früher wurden die Flöhe noch selber gezüchtet
Der Vater hielt die Flöhe dann in einem mit Sägespänen gefüllten Blecheimer, und zum Füttern stellte er sich einfach mit nackigen Wadln hinein. So sind Peter und Hans Mathes aufgewachsen.
Noch musste keine Vorstellung ausfallen im kleinsten Zirkus aller Zeiten. Aber: Es werden weiter dringend Flöhe gebraucht. „So viele wie möglich", sagt Robert Birk. 60 Artisten sind momentan im Geschirr, „wenn einer eingeht, hamma keinen Ersatz". Wer Flöhe hat, ruft unter folgender Nummer an: 0172-1070107.