Die SZ berichtete 1959 über die Flohzirkusvorstellung: Artistenlos unter der Lupe: Der springlebendige Theodor ist der winzigste Star der Welt.

Theodor ist der kleinste Star der Welt. Er ist drei Millimeter lang und wiegt zusammen mit 999 anderen Kollegen etwa fünf Gramm. Allein kann man ihn nämlich nicht wiegen. Zurzeit schießt er vor zahlendem Publikum während seines Auftrittes meh­rere Elfmeter und Strafstöße mit einem winzigen Fußball aus Holundermark. Ein Prachtspitz von ihm geht etwas mehr als 15 Zen­timeter zu weit. Vor drei Monaten war Theodor sogar beim Film engagiert. Augen­blicklich aber gibt er ein Gastspiel auf dem Oktober­fest. Theodor ist ein Floh, und sein Wirkungskreis ist der Flohzirkus.

Der kleine Künstler wur­de auf dem Dürkheimer Wurstmarkt geboren. Er stammt aus dem. Flohzwinger des Schaustellers Mathes. Seine Flohmutter zu ihrer Zeit eine berühmte Ballerina, legte damals 100 Eier, von denen dreißig ausge­brütet wurden. Von den zwanzig Brüdern, mit denen Theodor gleichzeitig zur Welt kam, gingen fünfzehn sofort flüchtig und fanden wahrscheinlich im graben Pelz des Begleit­schnauzers Stopsi eine ambulante Heimat.

Theodor wählte das Artistenlos. Meisterdompteur Mathes legte ihm eine Schlinge aus feinstem Golddraht um den zarten Hals, und heute kickt er unter den kritischen Lupen der Flohzirkus - Besucher den Liliputball auf ein streich­holzschachtelgroßes Tor.

 
Der Tagesablauf eines Flohs

Der Tagesablauf eines Zirkusflohs ist nicht un­interessant. Gewöhnlich ist erst um zwölf Uhr mittags großes Wecken, weil die Truppe bis elf Uhr nachts auf der Bühne steht. Theo­dor schläft mit vierzehn Kollegen in einer Manoli­schachtel. Nach dem Er­wachen wird sorgfältig Toi­lette gemacht, und dann folgen einige Lockerungs­übungen, Kniebeugen und Kopfrollen. Eine halbe Stunde später wird gemein­sam mit den Damen vom Ballett, die i-tüpferlgroße Krinolinen aus Stanniol tra­gen, das Frühstück eingenommen. Prinzipal Mathes führt dabei die kleinen Blutsauger an ihren Goldschlingen auf seinen Unterarm in die Nähe der Ellenbeuge, wo sie zusammen ein Tröpfchen Venen-Kaffee trinken. Der Chef hat den Grundsatz: „Ich lebe von den Flöhen, also sollen die Flöhe auch von mir leben."


Nachmittags schlafen die Flöhe

Nachmittags ist von zwei bis vier Uhr Bettruhe im ,,Hotel Manoli". Anschließend Trainings- und Übungsstunde. Vollhüftige Flohdamen wiegen sich im Dreisprung-Tango oder fahren in haselnußgroßen Biedermeierkut­schen, die von minderen Sandflöhen gezogen werden, durch die Miniatur-Arena. Die männ­lichen Mitglieder des Ensembles stemmen Semmelbrösel oder üben sich im Tauziehen an einem ausgefallenen Haar des Unternehmers. Vor dem Auftritt gibt er für alle etwas Frei­zeit. In dieser blauen Stunde spielt der Theo­dor, so behauptet der Dompteur, meistens Skat. Nach seiner Ansicht kann das niemand besser als ein Floh, weil der alles sticht.

Floh Theodor war auch einmal verliebt

Früher war der wackere Theo in der Pause meistens hinter der Samba-Tänzerin Rosa her. Aber die elf Monate, die er heute zählt, sind in einem Flohleben etwa genau so viel wie bei einem Menschen siebzig Jahre. Und in diesem Alter macht selbst ein Floh keine großen Sprünge mehr.

 

 

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